Was ist Value-Investing?
Dieser Text soll nicht die vielen veröffentlichten Studien und Bücher zu diesem Thema ersetzen, sondern in einem überschaubaren Rahmen praxisnahe Bewertungsmöglichkeiten bei Aktien aufzeigen.
Value Investing ist eine der Schlüsseldisziplinen in der Welt des Investierens. Bekannte Value-Investoren sind zum Beispiel Warren Buffet, Benjamin Graham (der auch als Begründer des Value-Investing gilt), David Dodd und Charlie Munger 1. Vereinfacht gesagt gilt als «Value», wo der Wert einer Sache höher ist als der dafür zu bezahlende Preis. Die einfache Forme lautet also: Value = Wert > Preis. Das klingt einfach, ist in der Praxis aber herausfordernder. Vermögenswerte sind aus der Sicht von Value-Investoren oft zu Unrecht über- oder unterbewertet. Diese kann aus einer Vielzahl von Gründen entstehen, zum Beispiel weil die Preisbildung in den Märkten nicht immer effizient ist und sich die Anleger nach Benjamin Graham teilweise irrational verhalten.
Der einfache Teil der Formel ist die Bestimmung des Preises. Bei börsennotierten Aktien können Sie den aktuellen Preis täglich via Börseninformationssystem feststellen. Sie nehmen dazu den aktuellen Börsenkurs und multiplizieren diesen mit der Anzahl Aktien, welche das Unternehmen emittiert hat. Daraus ergibt sich die Marktkapitalisierung eines Unternehmens. Darin reflektiert sich der Wert des Eigenkapitals 2. Der schwierigere Teil ist derjenige, wie man den Wert des jeweiligen Unternehmens zu bestimmen hat. Da gibt es sehr viele Ansatzpunkte: Ertragswert-, Substanzwert-, Discounted Cash Flow-Methoden (DCF) sind einige gängige Herleitungsmöglichkeiten. In den folgenden Zeilen werde ich auf die Ertragswertmethode detaillierter eingehen. Die beiden anderen seien jedoch kurz erklärt:
Die Substanzmethode kann unter anderem dort angewendet werden, wo das Gesamtunternehmen aus mehreren Einzelteilen und oder Beteiligungen besteht, welche auch einzeln bewertet werden können. Sollte die errechnete Summe der Einzelteile mehr ergeben als der aktuelle Preis könnte eine Unterbewertung vorliegen.
Die DCF-Methode ist sehr komplex. Sie wird häufig von Bank-Analysten angewendet. Diese bauen darauf, dass sie aufgrund ihrer Unternehmenskenntnisse die zukünftige Entwicklung des Unternehmens richtig abschätzen können. Sie schätzen so die mehrjährigen zukünftigen Geldflüsse eines Unternehmens und diskontieren diese auf den aktuellen Zeitpunkt ab. Die Summe dieser Geldflüsse bildet den Wert der Unternehmung aus Sicht des Analysten. Ein beliebtes Bonmot, das mehreren Personen zugeschrieben wird, lautet mit einem Augenzwinkern: «Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.»
Doch geht auch ein Blick zurück anstelle von komplexen Zukunftsmodellen? Wir denken, dass ein Blick zurück ebenfalls sehr hilfreich sein kann. Der grosse Vorteil dabei ist, dass wir das entsprechende veröffentlichte Zahlenmaterial mit einfachen Mitteln eruieren können. Viele Unternehmen gibt es schon sehr lange, und diese haben auch schon mehrere Zyklen überlebt. Wenn wir davon ausgehen, dass die Firma mit ihrem Geschäftsmodell auch die nächsten Jahre überlebensfähig ist, lohnt sich ein Blick zurück allemal. Die vergangenheitsorientierte Ertragswertmethode zielt genau darauf ab. Sie schaut nämlich, wie sich die entsprechende Firma während der letzten Jahre entwickelt hat. Dies ist eine Unternehmensbewertung mittels nachhaltig erzielbarer Erträge 3 und nicht anhand von komplexen Gewinnschätzungen für die Zukunft. Der Fokus dabei kann beispielsweise auf der durchschnittlich erzielten operativen Marge liegen. Dabei sollte ein genügend langer Zeithorizont analysiert werden, in dem auch verschiedene wirtschaftliche Zyklen herrschten.
Vereinfachtes Beispiel anhand der Ertragswertmethode:
Eine börsenkotierte Schweizer Firma hat in den letzten zehn Jahren folgende operative Margen erzielt:
Jahr | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | Mittelwert |
Operative Marge in % | 7.9 | 8.8 | 8.0 | 10.0 | 11.2 | 12.4 | 11.4 | 9.8 | 10.1 | 10.2 | 10.0 |
Der errechnete Mittelwert von 10% wird dementsprechend als «nachhaltig erzielbarer Ertrag» vor Steuern angenommen. Der Umsatz der Firma soll gemäss Management in den nächsten Jahren rund CHF 900 Mio. betragen. Die Schuldenlast beträgt zirka CHF 160 Mio 4. Wenn wir diese Zahlen zusammenfügen, ergibt sich folgendes Bild 5:
Errechneter Wert der Firma: | CHF 687 Mio. |
Marktkapitalisierung aktuell: | CHF 434 Mio. |
Der so errechnete Werte der Firma liegt deutlich über der aktuellen Börsenkapitalisierung. Es zeigt also: Wert > Preis! Es gibt dem Investor einen ersten Hinweis, dass hier eine Unterbewertung oder eben «Value» vorliegen könnte. Der interessierte Value-Investor würde in diesem Fall weitere Analysen vornehmen, insbesondere ob das Geschäftsmodell aus seiner Sicht zukunftsfähig und nachhaltig ist. Sollte er zu einem positiven Gesamtbild kommen, wird er einen Investitionsplan erstellen, um zeitnah in diese Firma zu investieren.
Value Investoren brauchen häufig einen langen Atem. Solche aus Sicht des Investors vorhandenen Unterbewertungen können sich sehr lange hinziehen, meistens länger als erwartet. Gewisse Aktien durchleben eine Art «Mauerblümchen-Dasein» bis beispielsweise ein nicht vorhersehbares Ereignis den Fokus vieler anderer Investoren wieder auf die Firma lenkt. Russell Napier, der bekannte Wirtschaftshistoriker beschreibt dieses Phänomen wie folgt: «Wenn Sie einen thematischen Boom an den Märkten (gegenwärtig beispielsweise rund um das Thema künstliche Intelligenz) sehen und überzeugt sind, dass er nicht ewig anhalten kann, Sie aber nicht wissen, wann er enden wird: Verdoppeln Sie die Zeit, die Sie dem Boom auf Basis Ihrer Analyse zutrauen, und subtrahieren Sie davon einen Monat.» 6
Fazit: Value-Investing erfordert eine Analyse von Unternehmen und Märkten sowie eine langfristige Perspektive. Es gibt verschiedene Methoden, um den subjektiven Wert einer Firma zu berechnen. Value Investing erfordert Geduld und Disziplin, da es oft einige Zeit dauern kann, bis sich der Wert eines unterbewerteten Vermögenswerts realisiert. Value-Investoren suchen nach stabilen und profitablen Unternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen, die zu einem Preis gehandelt werden, der nicht ihre langfristigen Aussichten reflektiert. Durch die Auswahl solider Unternehmen zu attraktiven Preisen streben Value-Investoren langfristigen Kapitalzuwachs und eine angemessene Rendite auf ihre Investitionen an. Oder in Worten von Value-Investor Warren Buffet: «Price is what you pay, value is what you get.”
Anhang:
Umsatz: | 900 |
Operative Marge: | 10% |
Operativer Gewinn: | 90 |
Steuerquote: | 20% |
Operativer Gewinn nach Steuern: | 72 |
Kapitalisierungssatz: | 8.5% |
Wert der Firma: | 847 |
abzgl. Schulden: | -160 |
Wert des Eigenkapitals: | 687 |
Marktkapitalisierung: | 434 |
[2] Um zum «Unternehmenswert» zu gelangen, werden die Schulden zu diesem Wert addiert, respektive das Netto-Cash subtrahiert.
[3] Quelle: In Anlehnung an Fidecum SICAV Contrarian Value Euroland, Kurz-Update vom Juli 2023
[4] Quelle: ch.marketscreener.com
[5] Berechnung siehe Anhang, angenommener Kapitalisierungssatz 8.5%, angewendete Steuerquote 20%
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